24.06.2016

Sommerinterview mit Charly Fliegauf

63 spielfreie Tage liegen hinter ihm, 56 Tage muss er auf den ersten Auftritt seiner Grizzlys noch warten – Sportdirektor Charly Fliegauf blickt im Sommerinterview auf die Saison 15-16 zurück und freut sich auf die kommende Spielzeit mit der Teilnahme seines Teams an der Champions Hockey League.

Charly, Halbzeit in der Sommerpause – gab es direkt nach der Vizemeisterschaft Zeit zum Ausspannen?  Bist du im Urlaub gewesen oder verbringst du den Sommer in Wolfsburg und Umgebung?

„Halbzeit und Sommerpause – beides trifft es nicht so ganz. Ich habe nach den DEL-Playoffs noch die Eishockey-WM in Russland begleitet. Für mich sowie für Gerrit Fauser und Felix Brückmann war also erst Mitte Mai Saisonende. Bis dahin habe ich in der Saison über 100 Eishockeyspiele gesehen. Ich hab gemerkt, dass auch ich körperlich und geistig viele Körner gelassen habe und total platt war. Tatsächlich war es für mich wichtig, für einige Tage runterzufahren und abzuschalten. Genau das, was wir auch unseren Spielern empfehlen. In der intensiven Zeit der Playoffs bleibt einiges auf der Strecke. Die Familie, die einem in dieser Zeit den Rücken freihält und enorm unterstützt,  sieht man durch den engen Spielplan wirklich wenig. Mir war es wichtig, dass ich direkt nach der Saison an meine Frau und meine Kinder etwas zurückgebe. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und nur wenig über Eishockey gesprochen.  Auf eine Fernreise haben wir in diesem Jahr verzichtet. In der sogenannten Sommerpause steht vieles an, was in der Saison nicht oder nur schwer umsetzbar ist. Meine Frau und ich mussten u.a. unseren Umzug organisieren. Aus Heiligendorf sind wir nach Hattorf gezogen.“

Was waren die Gründe für deinen Umzug?

„Ausschlaggebend war der kürzere Weg zur Arbeit. Wenn man nach einer langen Auswärtsfahrt nachts an der Eis Arena ankommt, zählt jeder Meter weniger auf dem Weg ins eigene Bett! Spaß beiseite – unser Haus in Heiligendorf war gemietet. Der Besitzer möchte nun selber einziehen, was absolut nachvollziehbar ist. Auch wir haben uns in Heiligendorf sehr wohl gefühlt und hatten eine gute Zeit dort. Aber auch in unserem neuen Heim ist es sehr schön. Wir wurden von unseren Nachbarn herzlich empfangen, mittlerweile sind alle Kisten ausgepackt und auch das Internet läuft.“

Das Internet hat also auch bei dir eine hohe Priorität?

„Das www ist enorm wichtig. Privat kann ich auch mal ein oder zwei Tage darauf verzichten, aber im Business geht es nicht ohne. Vor allem die Kontakte und der Mailverkehr mit nordamerikanischen Spielern und Agenten sind so einfacher. Früher musste ich mitten in der Nacht telefonieren, um die Amerikaner am Vormittag zu erreichen. Das ist viel besser geworden, kommt aber bei Verhandlungen doch das ein oder andere Mal vor.“

Da sind wir natürlich neugierig – wann warst du das letzte Mal nachts zum Telefonieren wach? Hast du bereits einen neuen Importspieler an der Angel?

„Leider kann ich hier noch keinen Vollzug melden. Nach wie vor bin ich auf der Suche nach einem Mittelstürmer und einem Verteidiger. Hier ist aber noch etwas Geduld gefragt. Einige Namen habe ich im Kopf und bis zum Trainingsstart soll der Kader komplett sein.“

Der Trainingsstart ist trotz der erstmaligen Teilnahme an der Champions Hockey League für Anfang August geplant. Ändert sich denn überhaupt was in der Vorbereitung für die Mannschaft? Freust du dich auf die neue Herausforderung?

„Ich bin wahnsinnig stolz auf die Jungs, dass sie neben der Vizemeisterschaft auch die Quali für die CHL geschafft haben. Auch dieses Ziel hat uns in den Playoffs noch extra motiviert. Auf unsere Premiere freue ich mich sehr. Wir haben mit Göteborg und Pardubice eine starke Gruppe erwischt. Die einen sind amtierender Champion und schwedischer Meister, die anderen ein echtes Traditionsteam in ihrem Land. Unsere Trainingszyklen während der Vorbereitung werden wir auf diese vier Spiele in der Gruppenphase ausrichten. Wir wollen nicht nur mitspielen, wir sind Grizzlys – wir wollen unsere Spiele auch gewinnen!“

Nach den beiden Heimspielen in der Eis Arena folgen die Auswärtsspiele. Sind die Tripps bereits geplant?

„Wir haben einen guten Spielplan erwischt. Beide Heimspiele sind am Wochenende, so dass es sicher voll wird in der Eis Arena. Die Auswärtsspiele absolvieren wir in einer Reise. Am Dienstag fahren wir mit dem Bus nach Pardubice, dort übernachten wir nach dem Spiel am Mittwoch noch einmal, bevor uns der Bus am Donnerstag nach Prag zum Flughafen bringt. Von da geht es nach Göteborg. Wir haben Donnerstagabend und Freitagvormittag Trainingseinheiten und Freitagabend das Spiel. Samstag fliegen wir nach Hamburg zurück und werden von unserem Bus abgeholt. Ich freue mich natürlich, wenn uns auch einige Fans auf der Tour begleiten. Mein Tipp: Von Berlin nach Göteborg gibt es super-günstige Flugangebote.“

Du hast den Trainingsauftakt angesprochen – hier erwartest du den kompletten Kader. Stichwort verletzte Spieler – werden alle fit sein?

„Das gibt es auch selten – da kommst du mit ganz wenigen Verletzungen durch die Saison und dann stehen dir im vierten Finalspiel nur noch drei Verteidiger zur Verfügung. Was viele nicht wissen, auch Jeff Likens hat mit einem gebrochenen Finger gespielt. Aber das ist Eishockey! Vor allem Robbie Bina und Patrick Seifert hat es schwer erwischt. Robbie war vor 14 Tagen zur Kontrolle hier in Wolfsburg. Bei ihm sieht es gut aus. Patrick Seifert hatte einige Probleme in der Reha. Hier müssen wir gucken, ob er rechtzeitig fit wird.“

Was erwartest du von den Neuzugängen?

„Dass die neuen Jungs sportlich gut drauf sind, wissen wir. Ein entscheidender Faktor wird sein, dass sie sich gut und schnell in die Mannschaft integrieren. Das ist den Coaches und mir besonders wichtig. Wir werden auch künftig nur über eine geschlossene Teamleistung Großes erreichen können. Ich bin aber zuversichtlich. Unser Spielerstamm konnte so gehalten werden. Das sind alle charakterlich Top-Typen. Den Neuen wird die Eingewöhnung leicht fallen.“
 
Natürlich gibt es immer auch Abgänge nach einer Saison. Dass allerdings mit den Hamburg Freezers ein Club aus der DEL verschwindet, kam auch für dich überraschend?

„Das war heftig – das muss ich ganz klar so sagen. Als erstes gehen mir da - neben den Spielern - auch die Mitarbeiter und Fans durch den Kopf. Das trifft alle wie ein Keulenschlag. Ich persönlich bedauere die Entscheidung vom Clubeigner sehr. Wir hatten über die Jahre hinweg einen guten Kontakt zu den Hamburgern und sind gerne an die Elbe gereist. Die Spiele gegen die Freezers hatten immer einen Derby-Charakter. Ich würde mir wünschen, dass die Freezers-Mitarbeiter schnell neue Jobs finden und vielleicht sogar dem Eishockey erhalten bleiben. Das wünsche ich mir auch für meinen langjährigen Kollegen Stephane Richer.“

Neben den Spielen gegen Hamburg, was waren deine Highlights in der Spielzeit 15-16?

„Das Erreichen des Finales ist natürlich das größte Highlight. Wir haben uns bis zum letzten Tropfen gewehrt und großen Sport mit toller Unterhaltung erlebt. Grundsätzlich schreiben die Playoffs immer Geschichten. Der Einsatz von Basti Vogl in Nürnberg, als er Felix Brückmann großartig vertreten hat – das sind alles Dinge, die vergisst du nicht und die haben für mich eine besondere Bedeutung. Nach außen ist das ein Torwartwechsel, aber für die Trainer und mich zeigt sich da auch der Teamgeist. Wie die Jungs füreinander einstehen und da sind, wann immer man sie braucht. Da stellt sich jeder in den Dienst der Mannschaft, da gibt es keine persönlichen Animositäten. Der Spirit, der zu dieser Zeit in der Kabine herrscht, ist unbeschreiblich. Auch das Wiedersehen mit Norm Milley im Viertelfinale war emotional außergewöhnlich. Der Spieler, der einen erheblichen Beitrag daran hat, dass wir uns mit dem Slogan „Playoffs since 09“ schmücken können, muss auf einmal besiegt werden. Die Vergangenheit auszublenden, fällt auch uns Profis nicht immer ganz leicht. Spielerisch bleibt zum Beispiel das Unterzahltor von Jimmy Sharrow im Halbfinale gegen Nürnberg unvergessen. Dieser Tag des Finaleinzuges wurde auch durch den Empfang unserer Fans nachts an der Eis Arena etwas ganz Besonderes.“

Ein schönes Schlusswort – vielen Dank, Charly!